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Wer nicht kommt, wird erst recht erschossen

Oder:Familienfeiern

Nicht, dass der werte Leser jetzt denke, es ginge bei unseren Familienfeiern besonders brutal zu. Nein, das nicht, zumindest gibt es in unserer Familie keine körperliche Gewalt – vom üppigen Essen und den Alkoholexzessen einmal abgesehen.
In unserer Familie gibt es nur Blicke, die töteten, wenn sie es könnten, „Tanten“, denen zwar schon vor langer Zeit die Zähne gezogen wurden, aber die darunter liegenden Giftdrüsen nicht, „Onkel“, die nach überwundenen Prostataproblemen langsam wieder zur alten Form auflaufen und andere „Onkel“, die sich an kleinen Mädchen und deren Anblick aufgeilen (bzw. an stillenden Müttern) und noch dazu, als wäre ersteres nicht schon genug, die lästige Angewohnheit haben, kommt man neben ihnen zu sitzen, einen ständig, um ja die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten, mit dem Handrücken antatschkerln und „Du.“ Sagen, ich nehme an, weil er eines Namen nicht weiß, solange, bis die Aufmerksamkeit wieder hergestellt ist, und die nach altem Mann stinken. Das sind die dunklen Seiten.
Die Harmloseren sind mein Großvater, der an sich der beste Opa ist, den man sich nur wünschen kann, der aber ziemlich inbrünstig zum Poltern anfangen kann, wenn man vom festtäglichen Kartenspiel wegbeordert und dann nicht spätestens um 12.10 alle sitzen und um 12.15 die Suppe serviert wird. Da kennt er dann nix mehr. Auch die Tanten, die bei Familienfeiern immer zu besonders komischer Hochform gelangen und schon bevor die Salate eingestellt sind, der deftige Witze erzählt haben, die sie dann, je länger der Nachmittag dauert und je besser der Wein ist, im Halbstundentakt wiederholen und wenn es ganz arg kommt, kann sich die Witzwiederholungsfrequenz auf fünf Minuten verkürzen.
Weiters zu den harmloseren Zeitgenossen gehören „Cousins“, die zu solchen Anlässen (wie ich es früher auch tat) stets mit grünlicher Gesichtsfarbe und rotglühenden Augen kommen und den ihnen anhaftenden Alkoholdunst mit einer Überdosis „Hugo Boss“ zu übertönen suchen. Und die anderen „Cousins“, die zwar brav in des „Onkels“ Fußstapfen getreten sind, höllisch viel Geld verdienen und ein Mordsfirmenauto fahren, aber sich im Land ihrer ständigen Dienstreisen zumindest ein Darmleiden eingehandelt haben.
Zu der Gruppe der Harmlosen gehört auch der „Cousin“, der frühzeitig dem biblischen Ruf „wachset und mehret euch“ gefolgt ist, und sich jetzt der Konsequenzen seiner Gläubigkeit bewusst wird, und nichts mehr übrig hat, als Kleidung aus den frühen 90igern und die Klage darüber, wie schwierig es ist, als Alleinverdiener eine Familie durchzufüttern. (Diese Feststellung ist sicher richtig und ich entschuldige mich bei den Lesern, die auch alleinverdienende Väter sind, aber es gibt ja bekanntlich immer solche und solche...) Und seine Schwester, vor kurzem auch Mutter geworden, (oben erwähnte, begaffte, stillende Mutter), die sich nach eineinhalb Jahren der Entbehrung nichts sehnlicher wünscht, als ein Stamperl. (Obwohl – das finde ich irgendwie sogar sehr sympathisch, weil ehrlich).
Zu den, in allen Situationen, Liebenswerten gehören meine Großmutter, zwei weitere Onkel, aber nur weil sie äußerst schweigsam sind, (und wahrscheinlich genauso unter Familienfeiern leiden wie ich), meine Cousinen, die sich von gefürchteten „Mini-Monsters“ zu jungen Damen entwickelt haben, und sich mittlerweile auch so benehmen und natürlich meine Eltern samt Bruder (auch wenn wir so unsere Probleme haben).
Nur kurz zur Zeichenerklärung: die ohne Anführungszeichen sind in gerader Linie mit mir verwandt, während die mit, in so kompliziertem Verwandtschaftsverhältnis zu mir stehen, dass ich da jetzt einen Stammbaum zeichnen müsste und damit will ich niemanden langweilen.
Soweit, so gut.
Warum ich diesen etwas reißerischen Titel gewählt habe, sei auch erklärt: Es ist vollkommen egal, ob man bei diesen Familienfeiern anwesend ist oder nicht, das Zischeln der, teils hinter vorgehaltener Hand, eingeholten Erkundigungen über den/die Abwesende/n, fährt sowieso wie Nadeln durch die Adern; erstens. Und zweitens: Seit ich diesen Text hier im Hinterkopf habe, habe ich die Titelmelodie von „Spiel mir das Lied vom Tod“ in den Ohren, was wohl damit zu tun hat, dass die meisten Familienfeiern zu Mittag (-> Highnoon) angesetzt sind. Bis auf drei Ausnahmen: Der Heringsschmaus am Aschermittwoch, das Osterschinken-Essen am Karsamstag und das große Fressen am Stephanie-Tag. Zu Mittag finden statt: Weihnachten (Christtag), Ostern (Ostersonntag), Allerheiligen und sämtliche Geburtstagsfeiern, die sich vor allem im Oktober und November konzentrieren. (Denn viele meiner „Verwandten“ sind „Faschingskinder“, aber das ist ein sehr, sehr böses Wort und ich entschuldige mich bei allen Lesern, die rein rechnerisch auch als solche tituliert werden könn(t)en!)(Und bei meinem Vater, obwohl – na ja.)
Unsere Familienfeiern finden an den verschiedensten Orten in ganz NÖ statt.
Entweder beim Wirten des Vertrauens des jeweiligen Feiernden oder am großelterlichen Anwesen, da meine Oma immer sehr bemüht ist, die Familie zusammen und bei Laune zu halten. Aber der Ablauf ist immer gleich:
11.45-12.00 Eintreffen der Gäste (und Sektempfang – aber nur bei Geburtstagen)
12.00-12.10 Platzkampf und Befüllen der Weingläser
12.15 Einstellen der Suppe (sobald Opa einen befüllten Teller vor sich hat, ertönt sein basslastiges „Mahlzeit“, dann dürfen alle essen)
12.20 Abräumen der Suppenteller
12.25 Einstellen der Salate und der Beilagen
12.27 Einstellen der Hauptgerichte
12.30 Der Vorsitzende der Feier (meistens Oma) bedankt sich für das Erscheinen der Gäste, gedenkt der Verstorbenen Familienmitglieder und wünscht den Anwesenden Gesundheit, worauf „Prost“-getrunken wird (davor soll nicht vom Wien getrunken werden)
12.38 Die Gläser werden neu befüllt
12.40 Es wird auf den Gastgeber getrunken
12.45 Abräumen
(Manchmal, und nur dann, wenn wichtige Gäste zu spät kommen, kann sich das Procedere um bist zu 15 Minuten – aber nie mehr – nach hinten verschieben.)
Zu dem Ablauf möchte ich noch zwei Dinge anmerken: Es gibt da eine „Tante“, die sich, weil es gibt immer zwei Suppeneinlagen, immer beide ins Teller tut und das dann auch isst. Frage nicht, wie Fritatten und Grießnockerl bzw. Leberknödel zusammen gehen, aber bitte. Mein Magen muss es ja nicht aushalten. Wenn ich wählen muss, besonders zwischen Fritatten und Grießnockerl, fällt mir die Wahl zwar auch immer schwer, aber meistens gewinnen dann doch die Grießnockerl, weil die selbstgemacht am besten sind....Ja. Und dann noch, wenn alle endlich die Hauptspeise (oder die, denn meistens kann man zwischen mindestens zwei wählen) am Teller haben und alle die nimmersatten Mäuler voll haben, entsteht eine ganz interessante Ruhe, nur durchbrochen von ans Teller schlagenden Bestecken, die aber eine spezielle „Tante“ (die, die sich dann noch heimlich ein, zwei Schnitzel ins Handtascherl packt) nie länger als 15 Sekunden durchhält und mit einer spitzfindigen Bemerkung über irgendwen an der Tafel zerstört. Wie um sich selbst zu retten, fangen dann alle gleichzeitig an, mit vollen Mündern durcheinander zu reden („Gibst ma den Solod bitte? Na, ned den, den aundan...“, „Kau i nu an Wie Haum?“, „Braucht nu wer a hoiwats Knedl?“, „Wea wü meine Schwattln?“, ...).
Sobald alle alles hinunter geschlungen haben, lehnen sie sich zurück, bis auf die Jungen, die immer abräumen müssen (so wie der älteste Sohn, und möglichst nur der, Wein nachschenkt), reiben sich die wohlgefüllten Mägen und beschweren sich, dass sie viel zu viel gegessen hätten, wenn es doch nicht immer sooooooo gut wäre...
Das ist dann das Aviso für Opa. Wenn er einen guten Tag hat, und gerade auch an seine Gastgeberpflichten denkt, (denn auf die vergisst er manchmal, seit er vorigen Sommer eine Schlaganfallserie hatte) fragt er, und immer eine spezielle „Tante“ zuerst, mit der er, seit ich denken kann, einen Flirt pflegt, ob jemand ein Stamperl tränke. Sind dann die nach oben gereckten Hände gezählt, ist es wieder am ältesten Sohn des Gastgebers (falls der keinen Sohn hat, muss er es selber tun), die Stamperl mit Schnaps zu füllen. Aber mit dem guten, weil es ist ja ein Feststag.
Kaum ist der Schnaps die durstigen Kehlen in die Unterstützung brauchenden Mägen hinunter geronnen, unter viel Pfauchen und UUUUUs und AAAAAAs, wird auch schon die Nachspeise gereicht. Aber die wird neuerdings nicht mehr eingestellt, sondern es gibt ein Buffet und die versammelte Festgemeinschaft muss also aufstehen, zum Nachspeisenbuffet pilgern und hat dort die Qual der Wahl aus mindestens 3 Mehlspeisen. Wer sich gar nicht entscheiden kann, der klatscht eben alle drei auf einen Teller und lässt dann die Hälfte stehen.
Jetzt werden sich die meisten schon fragen, wo man denn so viele Leute und so viel Essen unterbringen kann. Nun, wenn die Feier beim Wirten stattfinden, bedarf es keiner Erklärung. Wenn sie bei meiner Oma stattfinden, dann muss man wissen, dass es meine Oma auf einem mittelgroßen Bauernhof wohnt, mit integriertem Heurigenlokal. Das wiederum hat eine Industrieküche integriert und bietet Platz für mehr als die paar Leute aus der „Verwandtschaft“. Meine Oma kocht allerdings schon lange nicht mehr selbst, denn wir sind größer geworden und essen demnach auch mehr (denkt sie) und nachdem wir jetzt einige Jahre hindurch immer weniger geworden sind, steuern diverse „Cousins“ und „Cousinen“ jetzt ja dagegen, wie schon erwähnt, außerdem ist sie selbst nicht mehr so auf der Höhe, sondern ihre Schwiegertochter, also meine Tante, macht das. Mit Leidenschaft und Hingabe, auch wenn das bedingt, dass sie das Essen stehend und zwischendurch in der Küche einnimmt...(aber dafür wird ja auf sie getrunken, zwischendurch...)
Also. Wir waren bei den Nachspeisen. Alle stehen, alle zum Buffet. Zeit für ein kleines Plauscherl zwischendurch. Meistens bin ich beim Sturm aufs Nachspeisenbuffet schon irgendwo anders. Mir genügt der Schweinsbraten, da brauch ich nicht auch noch eine geilige Torte... Diesmal war ich aber zu früh zurück und man „daklatschte“ mich und die „Tante“, die sich immer zwei Schnitzel in die Handtasche steckt, fragte mich: „Und was tust du immer so?“
An dieser Stelle möchte ich mich bei meiner Verwandtschaft aufs Herzlichste entschuldigen: Mein Leben ist tatsächlich so herrlich ereignislos, dass ich seit mittlerweile sieben Jahren nichts anderes tue, als als Musikschullehrerin zu arbeiten, daheim zu sein und ab und zu irgendwo zu spielen. Denn danach richtet sich die Frage: „Und was tust du jetzt?“ – immer. Und ich sagte darauf, wahrheitsgemäß und gar nicht mal unfreundlich: „Wenn ich nicht unterrichte, dann bin ich daheim.“, worauf sie sich brüskiert abwandte. Was kann das für ein Job sein, dass man daheim ist... abgesehen, dass Musikschullehrer sowieso kein richtiger Job ist... Denn ein richtiger Job ist, wenn man ein Dienstauto hat und nach China dienstreist.
Man sieht schon, dass ich keinerlei Lust habe, mich mit einem dieser, dieser Unikume eingehender zu unterhalten. Aber oft ist es auch gar nicht einfach, so einen familiären Smalltalk zu umschiffen.
Aber dann versteh ich auch eines nicht, ich meine, ich versteh es schon, dass es für sie schwierig ist. Zuerst war ich jahrelang alleine, dann hab ich ab und zu einen Mann mitgehabt (immer den selben!), dann war ich wieder jahrelang „alleine“ und alle konnten mich wenigstens fragen, wann ich denn den nächsten Freund haben werde, aber schon da begann meine Lust mit ihnen zu reden zu schwinden, und seit neuestem (eh erst seit drei Jahren), ist manchmal eine Frau an meiner Seite, die nicht viel spricht und von Gang zu Gang blasser wird, während ich von Gang zu Gang roter werde. Anstatt aber auf mich, oder diese Frau zuzugehen, und zu fragen, wer sie sei und inwieweit sie zur Verwandtschaft gehöre (denn unsere Familientreffen sind wirklich sehr exklusiv), fragen sie sich gegenseitig. Von Anfang an habe ich sie als „meine Freundin“ vorgestellt. Wie das der einzelne versteht, bleibt ihm überlassen. Also, sie fragen sich durch und irgendwann kommt dann dieser Sprachschneeball bei meiner Mutter an und zerbirst an ihrer Antwort: „Das ist E. Die Freundin von R.“
Jedes Familientreffen das selbe.
Allerdings gilt das nur für die mit Anführungszeichen.
Beim letzten Familientreffen war E. nicht da. Und die ohne fragten gleich, „Wo ist denn die E.? Warum hat sie denn nicht kommen können?“ Und dann, nach mindestens 2 Gläsern Wein und einem Schnaps und noch einem Glas Wein, fragen dann auch die mit: „Wo ist denn deine Freundin?“ und betonen das noch dazu ganz komisch. Und da fühle ich mich dann gar nicht gut. Weil ich spüre, dass sie es nicht verstehen. Am aller unwohlsten fühlte ich mich, als ich am Allerheiligentag diese Frage vom „Onkel“ mit der Prostata gestellt bekam und da ganz deutlich mitschwang: „Ihr braucht doch nur mal einen Mann, der es euch so richtig zeigt, damit ihr wieder zur Vernunft kommt!“ (Ob er das seiner Schwester (die mit den Schnitzeln) auch so angetragen hat? Schließlich hat die noch nie, nie, nie einen Mann mitgehabt....)
Es kann sein, dass ich mir das alles nur einbilde, aber nicht nur die reden über mich, wir reden auch über die. Und gerade bei „Onkel“ Prostata weiß ich, dass es wirklich so gemeint ist, wie es rüberkommt.
Im Grunde geht es in unserer Familie nur um 4 Themen: Geld, Beruf, wer mit wem und wer jetzt wieder gestorben ist.
Nicht dass eine Familienfeier nicht schon genug wäre. Jetzt stelle man sich vor, zwei so Dinger mit genau der gleichen Besetzung finden innerhalb von 72 Stunden statt.
Jeder, der halbwegs normal ist, denkt sich, dass es bei der 2. dann nicht allzu viel zu besprechen gäbe. Aber wer das denkt, der irrt. Auch nur mit einem Tag Pause dazwischen, fangen die die haargenau gleichen Gespräche, im genau gleichen Zeitplan wieder von vorne an. Wenn ein Zeitl dazwischen ist, so von Weihnachten bis Ostern oder so, dann würde das vielleicht gar nicht so auffallen, aber wenn sie so knapp hintereinander stattfinden, dann schon.

Zum Schluss muss ich noch was sagen, damit ich nicht als Furie da stehe. Ich halte viel von Familienfeierlichkeiten. Und ich finde es schön, dass man in unserer Familie so bemüht ist, einander regelmäßig zu Treffen. Jeden einzelnen schätze und respektiere ich so, wie es sich in der Verwandtschaft eben gehört (bis auf „Tante“ Giftdrüse und „Onkel“ kleine-Mädchen-machen-mich-geil.). Aber zwei mal hintereinander, das hat selbst meine Mutter nicht durchgestanden. Und das heißt was. Aber wenigstens ist mir jetzt, nachdem ich diesen Rundumschlag getan habe (ich möchte ja gar nicht wissen, was über mich so geredet wird...) sehr viel leichter.
Ich verabschiede mich nach der Nachspeise. Denn wer denkt, dass das das letzte Essen gewesen wäre, der irrt. So um 17.00 kommt dann der Schinken. Aber das erspare ich euch jetzt.

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Wien. Bei Nacht.

Der Nebel hing etwas tiefer als hoch.
Und war auch nicht am Boden.
Die Luft war kalt. Und feucht.
(Fast als rieselte sie aus der Nacht herab.)

Samstag. Nacht. In Wien.

Von der Landstrasse
die Wollzeile hinauf
am Dom vorbei
den Graben entlang
Kohlmarkt
und dann,
lange am Michaelerplatz gestanden.
Ohne Worte.
- Gingen wir einfach,
wohin die Nacht uns brachte.

In der Landstrasse.
Ein ganz eigener Puls.
Vor allem, als von hinten der Fiaker daherpreschte.
Die schwarze Kutsche.
Mit den schwarzen, schlanken Pferden,
die glänzten. (Vielleicht von dem, was fast aus der Nacht rieselte.)
Mit den beiden Laternen,
über die Wien,
hinein in die Innere Stadt.
(Fast wie ein Bote, aus einer anderen Welt, - in - , aus einer anderen Zeit.)
Wäre die Kutsche ganz einfach im Nebel verschwunden…

Und da hinten beim Dom,
wo die Stadt so dicht ist.
Dort ist es noch einmal anders.
Nicht unbedingt (immer)(überall) gut.
Zumindest hab´ ich mich erschrocken.
Aber vielleicht nur deshalb,
weil dort die Stadt so dicht ist
und Jahrhunderte, über-, inner- und untereinander liegen.

Auf der Kärntnerstrasse.
Ist man wohl die ganzen 24 Stunden nicht allein.
Dann den Graben entlang.
Kohlmarkt
und dann lange am Michaelerplatz gestanden.
Ohne Worte.
Bei den alten Fundamenten.
Starrten in den mittelalterlichen Brunnen,
den ich all die Jahre noch nie gesehen hatte.
Erst Jetzt.
Samstag.
Nacht.
In Wien.

Der Nebel hing etwas tiefer als hoch.
Und war auch nicht am Boden.
Die Luft war kalt. Und feucht.
Als rieselte sie aus der Nacht herab
und benetzte die Pflastersteine.
Standen lange am Michaelerplatz.
Und saugten etwas auf.
Vielleicht alte, längst vergangene Zeiten.
Jede für sich.
Und doch miteinander.

Und dann gingen wir noch durch die Hofburg.
Zur U – Bahn,
wo wir wieder eintauchen sollten.
Ins Leben.
Wie es wirklich ist.
Aber noch nicht.

Durch das Michaelertor
mit der Michaelerkuppel,
die immer solche Faszination in mir auslöst,
dass mir dafür die Worte fehlen,
hinein in die Burg.
Wo mich wieder die Wucht all der Jahrhunderte traf
und die Ahnen ganz nah waren,
fast hörbar das Raunen und Rauschen.
Bewusst und irritierend zugleich,
wenn man an solch starkem Ort steht
und sich doch nicht getraut, in alle Winkel zu blicken,
weil die Präsenz der „Anderen“ so stark ist,
dass man fürchten muss, sie würden einen aus einem grünen Unkörper plötzlich ansehen.
(So grün, wie die Patina der Bronzestatue und des Daches.)
Oben thront mahnend in der Mitte die Uhr.

Michaelertor und neue Burg
- als wehrten sie sich selbst dagegen
doch nur Abglanz einstiger Erhabenheit zu sein.
Und die alte Burg gedrungen,
fast bescheiden (klösterlich),
trutzend gegen die Geschichte
die jetzt in ihr geschrieben wird.

Dann Heldenplatz.
Wenn man aus dem Leopoldinischen Trakt heraustritt,
wo sich die Ring – Prunk – Straßen – Bauten wie ein bunter leuchtender Fächer vor den Augen ausbreiten
und man noch einmal ganz andere Luft atmet.

Als rieselte sie aus der Nacht herab.

Wien.
Bei Nacht.
Erfühlt.

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Doppelt bestohlen

Die beiden waren. Eine seltsame
Paarung.
Der Sozialarbeiter. Und der Filme-
macher.
Der Sozialarbeiter erzählte. Un -
entwegt.

Es konnte ganz leicht das Gefühl
aufkommen, der Filmemacher würde
den Sozialarbeiter aus -
horchen. Ihn bestehlen.
Aber der Sozialarbeiter erzählte ja.
Freiwillig. Unter dem Zwang. Es
sich von der Seele zu reden.

Doch es war nicht zu übersehen:
Wie der Filmemacher, während er
dem Sozialarbeiter so zuhörte,
einen Film machte.
Aus dem Stoff.
Oder mit dem Stoff?
(Oder über den Stoff?) -
den der Sozialarbeiter so
bereitwillig im ganzen Speisewagen
ausbreitete.

Aber jetzt bemalt der Sozialarbeiter
wieder Wände.
Mit seiner ganzen Liebe.
Weil er Wände nicht einfach streicht.
Er bemalt. Mit Liebe. - Wie es sich gehört.
Wieder Wände.
Trotzdem ist er kein Maler.
Trotzdem ist er kein Sozialarbeiter. Mehr.
Weil der Trotz dem System, ihm irgend -
wann die Kraft genommen hat.

Wieviel Kraft man braucht,
um halbwegs bei Sinnen zu bleiben.

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