Ich werde nachlässig.
Aber ich sagte ja schon, dass ich mit Fußball eigentlich nix am Hut hab und so erscheint es mir jetzt im Nachhinein recht tröstlich, dass ich, anstatt mir das torlose und auch ansonsten recht unspektakuläre Match ROM vs. FRA anzusehen, lieber selbst an der frischen Luft war, eine ziemlich geile neue Kamera ausgibigst getestet hab und ganz frische Kirschen vom Baum genascht hab.
Faszinierend an der Fußballrechnerei finde ich, dass beide Mannschaften kein Tor geschossen haben, trotzdem hat jede einen Punkt gekriegt, aber so ist Fußball eben. Für die Tordifferenz ist das nicht so gut, sollte es zu noch komplizierteren Rechnereien kommen.

Weiters muss ich eine Schelte an die Reporterriege und an die ganz eingefleischten Fußballfans anbringen: Ich finde es nicht in Ordnung, dass eine Gruppe eines internationalen Turniers "Todesgruppe" genannt wird. Das hat einen sehr seltsamen Beigeschmack. Zudem ist es äußerst selten, dass jemand an den Folgen eines Fußballergebnisses stirbt (an den Folgen eines Fußball - Spiels schon, aber das ist eine andere Geschichte). Man könnte für diese Gruppe auch einen weitaus positiveren Namen finden, z. B. "groupe creme della creme" oder "Edelgruppe" oder sowas. Aber gut. Ich hab den Begriff ja nicht erfunden und auch nicht lanciert.

Wenden wir uns also dem Hauptabendprogramm zu:

NED - ITA - Oder: Wie man den Weltmeister alt aussehen lässt

Die ersten fünf, zehn Minuten dachte ich: Schlafen gehen wär wohl besser. Die Niederländer spielten betont ruhig, versuchten sich aus dem Mittelfeld heraus Platz zu verschaffen, kamen meistens aber nicht recht weit. Die Italiener wirkten weitaus druckvoller, kämpferischer.
Bald schon merkte aber auch der interessierte Laie, dass da 2 vollkommen verschiedene Taktiken aufeinander trafen. Während die Niederländer miteinander spielten, geduldig versuchten Räume zu öffnen und es ihnen darum ging ins Tor zu treffen, egal wer den Treffer erzielte, verließen sich die Italiener auf den Mann, der immer (nahezu bewegungslos) vor dem gegnerischen Tor stand, nur brachten sie keine Bälle nach vorne.
Tja.
Dann kam es zu der Szene, wo sich die Niederländer im ersten Moment selbst nicht sicher waren, ob es ein reguläres Tor gewesen sei und sich gar nicht trauten zu jubeln, jedenfalls nicht gleich.
Buffon hatte einen eignenen Verteidiger in Grund und Boden gerannt, der nun da hinter der Toroutlinie lag. Und das ist jetzt auch Fußball: Er lag zwar, gilt aber als hinter der Toroutlinie "stehend", somit kein Abseits: Tor!
Tor Nr. 2 war eine der schönsten Aktionen des bisherigen Turnierverlaufes. Nicht lange fackeln, den aufgebrochenen Raum nutzen und rein damit. Sehr fein!
Nach der Pause hätte man damit rechnen können, dass sich die Niederlande auf ihrem doch schon recht satten Vorsprung ausruhen würden, hinten mauern würden und aus. Nix da!
Es ging ungebrochen elegant und durchdacht weiter. Da half es auch nichts mehr, dass für Italien 2 weitere Stürmer kamen, weil sie nämlich nix an der Philosophie änderten. Immer nur den Goalgetter (den vermeintlichen) zu suchen, scheint nicht mehr en vogue zu sein, vor allem nicht gegen eine Mannschaft, die selbst nicht gerade auf der Nudelsuppe dahergeschwommen kam. Zwar kam es im Strafraum der Niederländer 2 mal zu einem ziemlichen Gewühl, einmal stand sogar ein Italiener ganz alleine gegen van Saar vor dem Tor, aber es hilft ja nix: Der Ball muss im Tor sein, damit es als Zähler gilt.
Überhaupt ist zu sagen, dass ich mir ca. in der 55. Spielminute dachte: "Ui, die Italiener wirken aber nimmer ganz frisch." Ich dachte es, der Moderator sprach es aus.
Dann kam es auch noch unter Mithilfe eines italienischen Schienbeins zum 3. Tor der Niederländer, die zuvor wieder einen Konter, wie aus dem Bilderbuch gelaufen waren.

Fazit: Es war das bisher schönste Spiel. Das hatte Hand und Fuß und Kopf. Wirklich sauber.

Apropos sauber: Die Burschen schenkten sich zwar nix, hackten sich gegenseitig oft genug um, aber immer war da sofort die gegnerische Hand, um wieder auf die Beine zu helfen oder sich zu entschuldigen. Sehr sportlich! Kompliment!