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Mittwoch, 23. Februar 2022
doch nicht

Doch nicht.

Gut.
Also trotte ich zum Arzt.
Die Mutter hatte es sich seit ca. Weihnachten zur Aufgabe gemacht mir bei jedem Treffen und jedem Telefonat irgendwann beiläufig, meistens, wenn die Szene eh schon zu Ende war, wie bei „Columbo“ so ca., hintnach zu werfen: „Ah! Und warst schon beim Augenarzt?“. Nicht nur ihr war aufgefallen, dass ich für recht Kleingeschriebenes eigentlich schon ein bissl zu kurze Hände habe, bzw. dass ich halt recht lang brauche, um die richtige Distanz zwischen Augen und Text zu finden. Es amüsierte sie ungemein. Mich eher nicht so.
Kurz vor den Semesterferien war es ihr dann gelungen, mich zermürbt zu haben: „Warst jetzt endlich beim Augenarzt? Jetzt wären Ferien, jetzt hättest du Zeit…“
Also machte ich mir einen Termin aus und war überrascht recht schnell einen zu bekommen. Da musste ich sogar noch verhandeln, dass ich den Termin IN den Semesterferien bekam und nicht schon früher.
Vor 14 Tagen war ich also dann beim Augenarzt, der ironischerweise „Dr. Oral“ heißt (nein, das ist nicht erfunden, das ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit!). Ich ließ das ganze Prozedere über mich ergehen, er „Hmte“ „Mhhhmte“ hie und da vor sich hin, einmal fuhr er mich an, ich solle mich doch endlich festlegen, was ich da lesen könne… - Wie denn, wenn ich es doch nicht lesen konnte? Ganz zum Schluss nahm er sich eines Problems an, das ich ihm gleich bei der Vorstellungsrunde, sozusagen, geschildert hatte - ein indefinites Gewächs im unteren Lid meines linken Auges. Gut. Also sah er sich das an und meinte nach etlichen „Hms“ und „Mhhms“: „Gut, dann nehm ich jetzt eine Nadel und stech das auf.“ Ich riss die Augen ziemlich weit auf, das hätte er gern wohl vorher schon gehabt, denn er wiederholte oft: „Augen WEIT aufmachen!“ und bot ihm Einhalt: „Niemand sticht hier mit einer Nadel irgendwohin. Schon gar nicht in mein Auge.“ Er lachte: „Also ich würd ihnen schon vorher eine Spritze geben, mit einer lokalen Betäubung.“ Ich wiederholte das mit den Nadeln nochmal in aller Vehemenz. - Ich meine! Wir leben im Jahr 2022, gegen so ein Gerstenkörndl ist doch sicher seit mehr als 2000 Jahren ein Kraut gewachsen und dessen Wirkung sicher seit ca. 700 Jahren gesichert bekannt…! - Er lachte wieder und sagte: „Gut, wir probieren es zuerst mit Medikamenten. In 14 Tagen treffen wir uns nochmal und wenn es dann nicht weg ist, bekommen sie eine kleine Mini - OP.“
Er verschrieb mir natürlich kein Kraut, sondern das was Ärzte als ersten Reflex immer tun: Antibiotika in Tablettenform und zweierlei Augentropfen, ein Präparat davon (natürlich) mit Cortison.
Die Apothekerin hob eine Augenbraue, als sie bei einem Fläschchen der verschriebenen Augentropfen las: „5x am Tag.“ und meinte trocken: „Na, da hast aber eh zu tun.“ Worauf ich ebenso trocken: „Es sind eh Ferien, was sollte ich sonst den ganzen Tag tun?“ - Sie sah mich nur mitleidend an.
Wieder zurück im elterlichen Haus, fiel sofort die Mutter über mich her, ganz in altgewohnter Manier, ich noch nichtmal ganz bei der Haustür drinnen, geschweige denn den Mantel ausgezogen: „Und? Was sagt er?“ Darauf ich: „Auf dich hör ich nochmal! Da geh ich einmal zu einer reinen Kontrolluntersuchung zum Arzt und ich komm krank raus!“ „Oje, warum das?“ - Ich erzählte ihr die Geschichte.
So.
Und heute waren also die 14 Tage um.
Dass das Gerstenkorn nicht weg war, brauch ich wohl nicht extra zu erwähnen.
Seit gestern Abend schwitzte ich Blut.
Weißt du, wenn ich krank bin oder ein Zahn schmerzt oder irgendwas Gröberes zu sein scheint, dann geh ich auch nicht unbedingt gern zum Arzt, aber dann WILL ich wenigstens, dass er mir hilft. Aber das Gerstenkorn, das trag ich ja nicht erst seit gestern mit mir herum. Es beeinträchtigt mich nicht. Hie und da juckt das Auge, dann ribble ich ein bisserl, womöglich tritt dann ein bisserl Sekret aus und nachdem die Schleier sich gelichtet haben, ist alles wieder gut.
Also schleiche ich zum Arzt. Wie ein Hund, der schon auf die Schläge wartet. Und ich fürchte mich fürchterlich.
Die Vorzimmerdame lässt sich nicht blicken.
Dann doch.
Nach diversen Vorvermessungen kommandiert man mich ins Wartezimmer. Ich bin die dritte im Bunde, aber Menschen, die nach mir da waren werden früher dran genommen. Vielleicht schau ich ob all der Angst so scheiße aus, dass die meinen, ich brauche eh mal eine Auszeit.
Im Wartezimmer merke ich, dass ich den Altersschnitt um ca. 20 Jahre drücke… Nun. Immerhin bin ich 46…
Im Wartezimmer merken die anderen nicht, dass ich, obwohl ich tief in mein Handy versunken scheine, trotzdem alles beobachte und trotzdem alles höre. Ich war ja jetzt schon an die 1000 Jahre nicht beim Arzt. Wahrscheinlich hätte ich schon des öfter einen gebraucht, aber ich bin eher Typ: „Jessas, wenn die kommt is’s öha!“ Also ich geh ja wirklich nur, wenn mein Fahrgestell aufgibt oder ich mich vor lauter d’Strauka mich mit Hausmitteln nicht mehr erwehren kann, aber meine Mitwartenden waren die Typen: „Wir gehen zum Arzt, um uns mit wildfremden Menschen zu unterhalten.“ Und da muss ich gleich ein Klischee anpatzen, man sagt ja gern: „Ein Mann ein Wort, eine Frau ein Wörterbuch.“ - So ist es nicht. Es waren fünf Frauen und zwei Männer da (das Wartezimmer ist sehr groß und ich fühlte mich nicht bedrängt) und wasserfallartig redeten nur die Männer. Kann auch sein, dass die der Typ sind: „Wenn ich nervös bin, dann rede ich mir die Nervosität weg.“ - Wer bin ich um zu urteilen? Ich beobachte nur. Dieser eine Mann ging also zu einer etwas sehr alten Frau hin, nahm ihr die Zeitung aus der Hand, an die diese sich gekrallt hatte und sagte eh eher sanft: „Darf ich meine Zeitung wieder haben?“ Es stimmte, er hatte sie zuvor dort hin gelegt. „Darf ich Ihnen stattdem die Visitenkarte dieses Arztes geben, er ist super und sehr genau.“ - Ähm… Ich weiß nicht, ob man in dem Moment die Fragezeichen über meinem Kopf gesehen hat. Ich nehme an ja. Die saßen doch schon bei DEM Arzt, hatten also erfolgreich hergefunden, nicht nur das, offenbar hatten sie auch einen Termin - Visitenkarte? Jedenfalls entspann sich eine breite Diskussion über Ärzte und Spitäler, die eher monologisch vom Mann geführt wurde und hie und da warf die angequatschte Frau ein: „Ja, schönes Krankenhaus, nein… diese Wartezeit dort…“ und dergleichen mehr.
Irgendwann trat dann Schweigen ein. Und ich war erleichtert.
Man atmete nur noch, lüpfte hie und da die Maske, um kurz leichter atmen zu können, also ich nicht, ich kann hervorragend durch die Maske atmen und alle die nach mir gekommen waren, waren vor mir dran. Ich sagte also die ersten drei Unterrichtsstunden ab.
Schließlich - und das kann man fast so sagen - war ich an der Reihe.
Der Arzt sah mich aus der Ferne an und meinte freudestrahlend: „Es ist weg!“
Ich sagte wahrheitsgemäß: „Es ist nicht weg!“
„Doch, ich seh nichts mehr,“ meinte er, worauf ich: „Doch, schauen sie nach.“
Er schaute nach.
Sah und sagte: „Gut, dann schick ich sie jetzt ins Spital und sie werden operiert.“
Ich sagte dann einigermaßen überspannt und auch nur sinngemäß, denn mit einem Arzt würde ich (wahrscheinlich) nie so reden: „Wegen dem Schaß geh ich sicher nicht ins Spital!“ - außerdem war die Ausgangslage die, das ER den Schaß, wenn den behebungswürdig, beheben würde.
Er lachte: „So eine große Angst! Wie ich.“
Er atmete.
Ich atmete.
Er fuhr seine Apparatur hoch und sagte, noch als er das tat: „Gut, dann verschreib ich Ihnen jetzt eine Brille.“
Gut so. DAS hätten wir vor 14 Tagen auch schon haben können, aber gut.
Bevor ich ging, musste ich ihm schwören, dass ich SOFORT wiederkäme, sollte das indefinite Gewächs sich verändern und betonte: „Mit sofort, meine ich SOFORT, Sie rufen nicht an, Sie kommen einfach.“ Ich schwor.
Draußen blendete mich das Licht.
Ich sagte den Rest des Tages ab. Noch mehr Tage als notwendig an die Erlangung eine Brille zu verschwenden war ich nicht bereit.
Nachdem die Mutter mich gefüttert hatte (und fast wichtiger, mein Mensch mich angerufen hatte :-) ), ging ich also zum Optiker. Hallo. Alles Harry Potter oder was? Sicher nicht mit mir. Ich suchte mir eine Fassung alla Nana Moskouri aus. Wenn denn schon dann soll man sehen, dass ich jetzt Gleitsicht trage. Es gibt ja nur wie gesagt die H.P. - Versionen, oder irgendwas, wo man sich dann vorkommt wie ein Papagei - farbenfroh, wie ich bin - oder eben die Brillen, die die Eltern tragen… Nope. Bei der Fassung fühlt man wenigstens, dass man Brillenträger ist. Der Preis brachte mich dann leicht aus der Fassung, aber gut, wenn man halt in beide Richtungen (mehr oder weniger altersgemäß) schaßaugert ist, dann ist das so.
Und ich hoffe inständig, dass ich jetzt gaaaaanz lang in keinen Wartezimmern darben muss, natürlich hoffe ich, dass das Gerstenkorn geht, so wie es gekommen ist und, ja, dass es mich dann mit der Brille nicht allzu oft auf die Goschn prackt - man hört ja so einiges von den Gleitsichtdingern… Überhaupt bin ich auf die neue Sehqualität gespannt und wie sich das auf das Bedienen der der Kamera auswirkt und… und… und… Vor allem würd ich gern wieder gut sehen :-)

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ok

...dann schaun wir uns eine nadel mal gaaaaaaanz aus der nähe an... :-/

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