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Freitag, 17. Februar 2006
Mass

Gestern war es also so weit. Im FestspielHaus St. Pölten gab man Leonard Bernsteins Mass.

Ich wusste nicht ganz, was mich da erwartete, ging brav zur Werkseinführung und war nachher nicht viel gescheiter. Dass das Werk eher kontroversiell sein würde, wusste ich schon. Dass es teilweise "wüst" sein würde auch.
Also versuchte ich das eben gehörte wieder zu vergessen, und mir die konzertante (leider!) Aufführung so unbefangen wie möglich anzuhören.

Schließlich war es soweit. Die Bühne gerammelt voll von musizierwilligen Menschen. Dann Dunkelheit. Nur das Regiepult in schummrigem Blau und die Kontrollleds auf der Bühne. Irritation im Publikum, da das Stück mit einer Tonbandeinspielung beginnt. Aus jedem Lautsprecher dringt eine andere Stimme, die Zusammen einen neumodernen Choral ergeben.
Bald schon der erste Gänsehaut - Anfall, als der Solist des Tölzer Knabenchors anhob. Ich will nicht zuviel interpretieren, aber dieses Knabensopran - Solo wird wohl eine kleine Reminiszenz an längst vergangene Kirchenmusizierpraktiken gewesen sein.
Dann kam ein Teil, in dem ich mir dachte, hoffentlich ist es bald aus. Sehr anstrengend die Musik, die Handlung nur angedeutet, durch viel Unruhe bringende Auf- und Abtritte.
Als ich mich aber an das stete Hin- und Her gewöhnt hatte ging es. Und rasant näherte sich das Werk der Schlüsselszene, dem "Agnus Dei".

Ich hab schon vielerlei Musik in meinem Leben gehört, auch schon viel Musik gemacht, viele erhebende Werke gehört und selbst gespielt und oft genug, war ich sehr gerührt. Meistens von einer sehr gelungenen Aufführung.
Noch nie aber saß ich in einem Konzertsaal und musste heiße Tränen weinen, weil mich Text und Musik so dermaßen ergriffen. Was war ich froh um die Dunkelheit im Konzertsaal. Und wie war ich irritiert, dass eine Reihe hinter mir hysterisch gelacht wurde, während ich die ganze Verzweiflung der Hauptfigur mitmachen musste. Mein Knödel im Hals war nicht zu schlucken, die Tränen liefen ohne dass ich sie hätte aufhalten können und meine Atemfrequez war unüberhörbar hoch, Schweiß brach mir aus allen Poren.
Chor und Orchester peitschten sich gegenseitig auf in ein hohntriefendes "dona nobis pacem", Aufruhr, Perversion - denn im Ruf nach Frieden bricht das absolute Chaos aus, die ganze Bühne wiegt sich im Wahnsinnstakt, ein einziger Hexenkessel an Rhythmus, brutalen Harmonien, übereinandergelagerten Stilen, Höllenlärm
- und dann zerbricht das Gefäß des Glaubens, der Kelch des Sakraments und man fühlt sich auf einmal unendlich einsam in dieser Welt...

Doch Bernstein lässt einen nicht lange alleine im Dunkel des Zweifels. Er tröstet. Er führt zurück in dem er die Klammer gekonnt und keine Sekunde zu früh setzt - wieder der Knabe. Aus dem "Simple Song" ist ein "Secret Song" geworden. Was vielleicht die passendere Aufforderung ist. "Laudate" singt man. Leise, fast schüchtern.

"The mass is ended, go in peace."

Fassungslose Stille.
Dann der erlösende Applaus.

Ein grandioses Werk in einer sehr guten Aufführung. Goße Leistung von den Chören, die der Wandlung des Stückes vollauf gerecht wurden. Guter Dirigent, der die Mitwirkenden keine Sekunde alleine ließ.

Und am Ende doch so viel Verwirrung. Weil ich nicht dachte, dass mich etwas so anrühren kann, dass ich selbst jetzt in der späten Reflexion darüber noch ganze ergriffen bin...

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ich mir mit der brille von vor 20 jahren (zum...
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